Erbrecht

Wie wird man Erbe nach dem österreichischen Erbrecht?

Lena Schönberger

Sie lesen einen Gastbeitrag der uns freundlicherweise von unserem österreichischen Kollegen Herrn Dr. Moritz von der Kanzlei Schneider & Schneider Rechtsanwalts GmbH zur Verfügung gestellt worden ist. Weitere zahlreiche nützliche Hinweise zum österreichischen Erbrecht finden Sie auf deren Internetseite erbrecht-abc.at unter dem Reiter „Beiträge“.

 

Österreichisches Erbrecht ist in der Regel dann anwendbar, wenn die Verstorbene ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte. Wenn also zum Beispiel Ihre Mutter oder Ihr Großvater in Österreich leben, dann kommt nach ihrem Tod das österreichische Erbrecht zur Anwendung (es sei denn, die Verstorbene hat eine Rechtswahl getroffen, dazu später). Die Staatsbürgerschaft spielt hingegen keine Rolle (Ausnahme wieder: Rechtswahl).

Unter welchen Voraussetzungen können Sie nun damit rechnen, nach Ihrem in Österreich verstorbenen Großvater zu erben?

 

1. Letztwillig:

Wenn Ihr Großvater ein wirksames Testament errichtet hat, dann erben Sie, wenn Sie in diesem Testament als Erbe eingesetzt wurden. Wenn Sie im Testament hingegen nicht vorkommen, dann bekommen Sie auch nichts. Die Ausnahme davon ist das Pflichtteilsrecht (dazu weiter unten).

Wann ist ein Testament nach österreichischem Recht formgültig errichtet? In der Praxis spielen die folgenden zwei Arten der Testamentserrichtung eine wesentliche Rolle:

  • Ein Testament heißt eigenhändig, wenn es zur Gänze mit der eigenen Hand geschrieben und dann auch unterschrieben wurde. Hier passieren selten Formfehler. Jedoch sind Leute, die ihr Testament selbst schreiben, selten gut beraten und ordnen deshalb zum Teil inhaltlich Widersprüchliches an. Überdies besteht bei eigenhändigen Testamenten die Gefahr, dass sie nicht im Testamentsregister registriert und dann nach dem Tod vergessen oder sogar böswillig unterdrückt werden. Wenn Sie also wissen, dass Ihr Großvater sein unregistriertes Testament bei sich zu Hause verwahrt: Raten Sie ihm, es zum Rechtsanwalt oder Notar zu bringen und im Testamentsregister registrieren zu lassen. Das allein kostet nicht viel und stellt sicher, dass sein letzter Wille auch tatsächlich Beachtung findet.
  • Ein Testament heißt fremdhändig, wenn es maschinell (PC, Schreibmaschine) oder von jemand anderem geschrieben wurde. Die Errichterin des fremdhändigen Testaments muss dann eigenhändig bekräftigen, dass die Urkunde ihrem letzten Willen entspricht, und das Testament eigenhändig unterschreiben. Dabei müssen drei Zeugen anwesend sein, die ihrerseits bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen; insbesondere dürfen sie im Testament nicht begünstigt werden. Die drei Zeugen müssen dann ebenfalls unterschreiben und eigenhändig auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisen. Die Identität der Zeugen muss sich aus der Urkunde ergeben. Es gibt hier noch weitere Formdetails, die berücksichtigt werden müssen, insbesondere müssen die einzelnen Blätter eines mehrseitigen Testaments in ausreichender Weise miteinander verbunden werden. Die Judikatur des österreichischen Obersten Gerichtshofes ist hier in den letzten Jahren immer strenger geworden. Ein fremdhändiges Testament sollte nur vor einem Rechtsanwalt oder Notar errichtet werden. Das Risiko, dass andernfalls Fehler passieren, ist einfach zu hoch. Und wenn Sie wissen, dass Ihr Großvater vor vielen Jahren ein fremdhändiges Testament errichtet hat, dann raten Sie ihm, den damals befassten Rechtsanwalt oder Notar zu fragen, ob das Testament auch den neuesten Entwicklungen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung standhält und seine Wirksamkeit zu 100% nicht verloren hat oder ob doch eine erneute Errichtung für sinnvoll erachtet wird.

Unabhängig von der Art der Errichtung muss das Testament im Zeitpunkt des Todes noch wirksam gewesen sein. Insbesondere darf es nicht durch ein später errichtetes Testament widerrufen worden sein. Häufig gibt es im Verlassenschaftsverfahren ein böses Erwachen, wenn plötzlich ein später errichtetes Testament auftaucht.

 

2. Gesetzlich:

Wenn Ihr Großvater kein zum Zeitpunkt seines Todes noch wirksames Testament errichtet hat, dann kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung:

  • Nach der gesetzlichen Erbfolge erben in Österreich zunächst die Nachkommen des Verstorbenen und der Ehegatte (oder eingetragene Partner). Dabei bekommt der Ehegatte ein Drittel, die anderen zwei Drittel teilen sich die Nachkommen. Innerhalb der Gruppe der Nachkommen erben zunächst nur die Kinder der Verstorbenen. Wenn Ihr Großvater stirbt, dann erben Sie also nur, wenn Ihre Mutter bzw. Ihr Vater (jenes Kind Ihres Großvaters, von dem Sie abstammen) bereits verstorben ist oder aus einem anderen Grunde nicht zur Erbschaft gelangt (die Erbschaft zum Beispiel ausgeschlagen hat). In diesem Fall erhalten Sie (gemeinsam mit Ihren Geschwistern) jenen Teil, den Ihre Mutter bzw. Ihr Vater bekommen hätte. Wenn hingegen Ihre Mutter/Ihr Vater nach Ihrem Großvater erbt, dann gehen Sie leer aus.
  • Eltern und – nach dem Tod der Eltern – Geschwister der Verstorbenen erben nur, wenn die Verstorbene keine Nachkommen (mehr) hat. Neben den erbenden Eltern erbt der Ehegatte zwei Drittel. Wenn aber die Eltern nicht mehr leben, dann verdrängt ein Ehegatte die Geschwister des Verstorbenen sogar völlig und erbt alles. Wenn also z.B. Ihre kinderlose Tante verstirbt, die bis zuletzt verheiratet war und deren Eltern bereits vorverstorben sind, dann erbt ihr Ehegatte alles, ihre Geschwister (und deren Kinder) bekommen nichts.
  • Der Lebensgefährte geht nach der österreichischen gesetzlichen Erbfolge – anders als der Ehegatte und der eingetragene Partner – überhaupt leer aus, es sei denn, es gibt keinen einzigen erbberechtigten Blutsverwandten (schon eine Cousine reicht aus, um die Lebensgefährtin zu verdrängen).

Sie sehen also:

  • Nach Ihrem in Österreich lebenden Großvater erben Sie nur, wenn entweder Ihre Mutter bzw. Ihr Vater nicht zur Erbschaft gelangt oder wenn Ihr Großvater Sie in seinem Testament als Erben einsetzt.
  • Nach Ihren in Österreich lebenden Eltern erben Sie hingegen schon nach der gesetzlichen Erbfolge. Wie viel, hängt davon ab, ob Ihre Eltern im Zeitpunkt des Todes verheiratet waren und wie viele Geschwister Sie haben: Neben dem Ehegatten teilen Sie sich mit Ihren Geschwistern (und allenfalls deren Nachkommen) zwei Drittel des Nachlasses. Wenn Ihre Mutter/Ihr Vater hingegen „nur“ in einer Lebensgemeinschaft stand, dann teilen Sie sich mit Ihren Geschwistern den gesamten Nachlass. Sind Ihre Geschwister bereits verstorben, treten deren Kinder an ihre Stelle.
  • Nach Ihrem in Österreich lebenden Ehegatten erben Sie ein Drittel, wenn er Kinder hat, zwei Drittel, wenn er keine Nachkommen hat, seine Eltern aber noch leben, und sogar alles, wenn auch seine Eltern schon verstorben sind.
  • Nach Ihrer in Österreich lebenden Lebensgefährtin erben Sie gar nichts, es sei denn, sie hat Sie in ihrem Testament als Erben eingesetzt oder es gibt keinen einzigen gesetzlichen Erben (keine Nachkommen auch nur eines Großelternteils des Verstorbenen und keinen Urgroßelternteil mehr).